Die Eierschale ist für das heranwachsende Kücken eine Schutzhülle und dient als Brutkasten. Wenn es Zeit wird zum Schlüpfen muss genau diese schutzspendende und geborgenheits- ja lebensstiftende Schale zertrümmert werden. Ein schier unüberwindbarer Kraftakt, die eine unvorstellbare Radikalität bedingt. Das Leben fordert
Zerstörung einer Struktur, ohne zu wissen, was mich Neues erwartet!
Gelingt Ihnen immer wieder dieser Durchbruch oder Harren Sie schon viel zu lange in einer, zwar behaglichen, aber viel zu eng gewordenen Schale?
Geschafft! Es gibt ein Leben ausserhalb der schützenden Schale
Aufbruch und Befreiung - die Turmkarte
Letzthin habe ich bei einer Tarotlegung die Turmkarte gezogen. Die Karte zeigt, wie durch ein Blitzeinschlag die Mauern gesprengt werden. Die Menschen, die sich im Turm befinden, begeben sich in freien Fall, um wieder auf dem wahren Boden zu landen. Diese Karte rüttelt radikal an Grundfesten, die gemauert sind aus Vorstellungen, Konstrukten und moralischen Glaubenssätzen. Denn oft erzeugen nur solche Gedanken ungute Gefühle wie Angst, Sorgen, Enttäuschung und Eifersucht. Aber wir merken gar nicht, dass wir im Turm sitzen, diktiert und gefangen von unseren eigenen Begrenzungen und Erwartungen. Wir merken nicht, dass wir mit unseren Überzeugungen «recht haben zu wollen» und «ein altes Lebens-Programm, das längst nicht mehr aktuell ist weiterzuführen» im Turm verharren und dabei einsam und traurig werden.
Der Turm rüttelt auf
Diese Karte war für mich zuerst ein Schock, weil ich die Behaglichkeit des Gewohnten, wenn auch manchmal unangenehm, aber doch vertraut, verlassen soll. Aber nach längerem Nachdenken sehe ich darin eine Ermutigung, weiterhin zu rütteln. Denn ich rüttle schon seit längerer Zeit...
Ich rüttle an Ausreden. Denn solche Ausreden sind oftmals Deckmantel, für eine unbewusste Weigerung, mich emotional und persönlich weiterzuentwickeln. So sage ich beispielsweise lieber: «Das kann ich nicht» (ehrlicher wäre wohl: ich will nicht lernen, ich habe keine Geduld, keine Bereitschaft, in einen Prozess einzusteigen.) Oder: «Das ist mir zu viel» (auch hier steckt eher eine Blockade von: ich will die Kontrolle übers Leben behalten, mich nicht emotional zeigen oder erweitern) Oder: «Meine Eltern waren schon so», «Erst wenn ich weniger arbeite kann ich dann», «Mit diesem Partner/dieser Partnerin kann ich das halt nicht» etc. Viel lieber lassen wir uns von solchen Ängsten kleinhalten als grossartig zu denken und zu wachsen.
Was hat nun Ostern mit all diesen Überlegungen zu tun?
In einem früheren Newsletter habe ich mir Überlegungen zur Frage gemacht, warum eigentlich in diesem frühlingshaften, kraftvollen Treiben (und Trieben) der Natur, die christliche Kultur eine Karwoche mit vorgängiger Fastenzeit hineinsetzt. Die Fastenzeit konnte ich noch verstehen, weil die Vorräte tatsächlich zur Neige gehen im März/April. Aber dieser ganze Leidens-und Sterbemythos von Jesus (abgesehen von der Verherrlichung des Leidens und dem Erlösungsglauben durch Leiden, das wäre noch ein anderes Thema). Warum ist diese Passionsgeschichte mit Verrat, Peinigung, Kreuzigung und qualvollem Tod (und schliesslich Auferstehung, endlich!), also dieses ganze christliche Ostersujet gerade im Frühling? Ich habe es damals als einen geschickten Schachzug der Kirche bezeichnet, um der Lebensfreude und Lustbetonung des Frühlings einen gewaltigen Riegel zu schieben.
Ins Leben zu kommen erfordert Mut
Diesen Gedanken kann ich immer noch unterschreiben (nichts ist wohl für die Kirchenlehre bedrohlicher als lebensbejahende und lustvolle Menschen, die sich dadurch emanzipieren und selbstbestimmt werden.)
Mit der Turmkarte ist mir noch ein anderer Aspekt vom österlichen Gedanken aufgefallen. Nämlich dass dieser Aufbruch oder Durchbruch des Frühlings auch eine Grenzerfahrung ist. Für so ein Kücken ist es ja wohl ein unglaublicher Kraftakt, so eine Eischale aufzupicken und zu sprengen. Vielleicht ist dies sogar für Knospen zutreffend? Oder Blüten, die aus knorrigem, leblos wirkendem Holz spriessen?
Ein Auf- oder Durchbruch braucht unglaublich viel Mut und Entschlossenheit. Die nährende Muttersymbiose zu verlassen ist bedrohlich. Da wartet das sichtbare Leben mit allen fühlbaren Konsequenzen. Es geht um Fleisch und Blut! Um die sichtbare Körperlichkeit meines Lebens. Nichts für zimperliche Zauderer und Angsthasen.
und erzeugt Widerstände
Deshalb nenne ich es mal «Angstschwelle». Denn längst ist uns diese ungebändigte Neugier eines Kleinkindes abhandengekommen. Viel lieber wähnen wir uns in Scheinsicherheiten und setzen auf Versprechungen, Verträge und Materialismus. Statt wirklich auszuprobieren und der Welt zu zeigen, wo meine Leidenschaft schlummert, mein Herz jubelt, meine Lichter angehen, verstecken wir uns lieber in der Anpassung, in der «ach so sehr geliebten Komfortzone». Lieber geben wir uns der Angst hin. Angst vor Überforderung, Angst vor Krankheiten, vor Viren, Bakterien, Angst vor Spinnen, vor Mäusen, vor Schlangen, Angst vor Konfrontation, Angst vor Nähe, Angst vor Gesichtsverlust, Angst vor Fehlern, Angst vor Verantwortung, Angst vor Versagen, Angst vor Menschenansammlungen, Angst vor Einsamkeit, Trennung, Angst vor Kontrollverlust, Jobverlust, Ausländern, Angst vor Stille, vor Dunkelheit, Verbrechen, Männern, Frauen, vor Gefühlen, vor Liebe, vor mir selber... Ja, es scheint, wir haben Angst vor der Angst. Und all diese aufgezählten Ängste haben einen marginal kleinen Teil Realitätssinn, sind also sozusagen eingebildet. Gemäss Wahrscheinlichkeitsrechnung wären all diese Ängste irrelevant, und könnten mit klarem Denken und mutigem Ausprobieren entkräftet werden. Denn Angst ist wie eine Türe, durch die ich gehen muss, um echt und lebendig zu sein. Meist lassen wir lieber diese Türen verschlossen und bringen nochmals ein Schloss an.
Angst ist...
Eigentlich ist Angst «mangelnde Neugier». Mangel an Neugier, wie das Leben wirklich ist. Mangel an Neugier, wie sich etwas Unbekanntes anfühlt. Mangel an Neugier, wer ich wirklich bin. Lieber bleibe ich in der «eingebildeten Angst» und merke es kaum mehr, wie sehr die Angst mich umklammert und mich immer enger werden lässt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen unendlich viel Mut! Mut, neue Gedanken zu denken, neue Wege zu gehen, neue Formen auszuprobieren. Und unendlich viel Mut, sich dem eigenen Leben, mit der eigenen Geschichte und dem eigenen Ich zu stellen.
Familienstellen
Eine Möglichkeit dazu ist das Familienstellen. Dort werden solche Begrenzungen 1:1 sichtbar, weil unsere Verstrickungen verkörperlicht werden. So können wir deutlich erkennen, wo wir wirklich stehen und so in eine Veränderung gehen. Über die Angstschwelle, Aufbruch zum Ich, Durchbruch zum Leben. So könnte Leben gelingen...
Daten Familienstellen 2019 in Luzern:
4. Mai/29. Juni
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