Der Beziehungs-Mythos
An Walpurgis (30. April) und im Mai wird die sexuelle Kraft in uns lebendig. Der Mai (oder Wonnemonat) war bei meinen Eltern noch der Monat des Anbändelns. Bräuche wie Maibummel und Maibaum waren damals die «Dating-Plattform». Noch ganz physisch, wohl mit viel Herzklopfen, Scheu und Scham verbunden. Und vor allem vielen, vielen Erwartungen und Phantasien, die mit Beziehung und Sexualität verbunden sind...wohl auch heute noch...

Wie heisst es so schön, Liebe macht blind...?
Sexualität gehört mir und nicht zur Beziehung
Diese Erkenntnis ist an einer Aufstellung aufgetaucht. Obwohl dies eine sehr persönliche Arbeit war, empfinde ich darin auch sehr viel kollektive Resonanz. Monogame Beziehung und Ehe mit einem Treueversprechen wird schon über viele Generationen als sehr bindender Vertrag gehandhabt, der eher ein «Deal» als eine wachstumsfördernde Gemeinschaft bedeutet. Vereinfacht würde ich es so zusammenfassen: Mann gibt Frau wirtschaftliche Sicherheit und sozialen Status, Frau gibt Mann emotionales Aufgehobensein und Sexualität. Das ist doch längst vorbei, werden einige sagen. Ja, eigentlich schon. Frauen sind (trotz ungerechtfertigten tieferen Löhnen) wirtschaftlich unabhängig und ihnen steht Beruf und Familienleben (mit einiger Anstrengung und meist auf ihrem eigenen Buckel) offen. Ja stimmt.
Aber wie sieht es hinter den verschlossenen Schlafzimmer-Türen und isolierten Kleinfamilien tatsächlich aus?
Die eigenen Bedürfnisse kennen
Können Frauen und Männern ihre emotionalen, körperlichen und sexuellen (was ist wohl der Unterschied zwischen körperlich und sexuell?) Bedürfnisse zeigen? Kennen wir unsere Bedürfnisse überhaupt oder sind wir geprägt von unseren Konditionierungen und Stereotypen? Wieviele Männer meinen nach wie vor, Sexualität gehört einfach zur Ehe und die Frau hat es ihnen nach ihrem Gusto zu ermöglichen? Der Körper der Frau gehöre ihm? Übergriffe und Vergewaltigungen sind jedenfalls nach wie vor an der Tagesordnung und haben sogar in den letzten Jahren zugenommen. Wieviele Frauen haben die Erfahrung, dass es dem Mann besser geht oder er es einfach braucht und ihm zusteht, wenn sie ihn «lassen»? Wieviele Frauen übergehen sich selber, dienen aus Pflichtgefühl, oder weil es die Mutter und sie selber als Tochter schon so erlebt haben? Oder geben/verweigern Sex, um etwas zu erreichen, zu bekommen, aus Dankbarkeit oder Belohnung. Oder aus einem Gefühl der Macht? Denn auch Frauen haben viel Potenzial zum Täterinnen-Sein...
Unterordnung in Beziehung
Im Tagi-Magi von vorletzter Woche ist ein Interview mit der Genfer Essayistin Mona Chollet. Sie hat ein Buch geschrieben «Wir müssen die Liebe neu erfinden», in dem sie beschreibt, wie auch feministisch geprägte, selbständige Frauen in der Beziehung in heterosexuellen Beziehungen unterminiert und sabotiert werden (oder dies zulassen). Die patriarchalen Strukturen wirken auch (noch) in der Liebesbeziehung, mit einem überhöhten Liebesideal. Nur ist es da noch viel schwieriger hinzusehen. Dieses Interview hat mich betroffen gemacht. Auch ich erkenne in mir diese Strukturen, teilweise ganz subtil. Dieses idealisierte Bild von Liebe, die mich schwärmerisch-blind macht und den Mann (wie bereits meinen Vater) idealisiert und verantwortlich macht für mein Glück. Und wie ich mich von mir selber entferne, um dem Du oder diesem Liebesideal zu entsprechen oder um in eine Symbiose zu gelangen. Ganz subtil, von aussen kaum erkennbar.
Und die Männerseite
Allerdings sehe ich es nicht so eindimensional. Auch Männer ordnen sich unter. Sie wollen die Frau glücklich machen, ihre Wünsche erfüllen, lassen sich einspannen und versklaven. Wir leben also oftmals in Beziehungsmodellen, wo beide sich unterordnen und am Du orientieren. Was der Beziehung die Lebendigkeit und die Nahrung entzieht. Oft auf Kosten der Selbstentfaltung, eines kreativen Sexlebens oder des intimen, gefühlsmässigen Austausches, zugunsten von Gewohnheit, Abhängigkeit und Stereotypen. Stabilisiert werden diese Muster von von Opferhaltung, Leistungsdenken/Workoholic, heimlichem Fremdgehen, Übergriffen, Pornokonsum, Suchtverhalten etc. Über die Männerseite ist gerade im Tagi-Magi vom letzten Samstag ein selbsrkritischer Essay von Fabian Schwitter zu lesen. Über männliche Unsicherheit, Angst vor Zurückweisung, Einsamkeit, emotionale Leere der Männer, die sich im Versuch, bei der Frau etwas zu holen zeigt. Auch dahinter steckt eine Not, vielleicht auch eine Opfergeschichte. Zu sagen, «männlich & weiss = Täter» ist zu einfach. Obwohl es gesellschaftliche Strukturen gibt, die daraufhindeuten und die es zu verändern gibt. Gleichzeitig braucht es grosse persönliche Veränderungen von Mann und Frau: die Auflösung der eigenen, destruktiven Muster, der persönlichen Geschichten in den Beziehungen, raus aus Opfer-Täter-Retter-Rollen durch radikale Selbstverantwortung.
Sexualität gehört mir
Ja, nochmals. Sexualität gehört mir, ist etwas ur-eigenes. Es gibt aktuell viele Kurse und Workshops für Frauen, um ihren Körper, Vulva, Vagina, Pussi und wie auch immer die, nach wie vor eher unbekannten (und unbenannten) Körperteile heissen, besser kennenzulernen und die Liebesfähigkeit zu steigern. Diese Kurse haben sogar grossen Zulauf. Mir persönlich behagen Dildo und Selbstbefriedigung weniger, gleichwohl ist es eine wichtige Bewegung für Frauen, ihren Körper für sich selber zu entdecken und dafür einzustehen.
Was ist Sexualität?
Wir sind sexuelle Wesen. Wo das anfängt und aufhört weiss ich selber nicht genau. Aber ich ahne, dass Sexualität viel mehr ist als geschlechtliche Vereinigung und triebhafte Lust. Vielleicht schon ein Spaziergang in der Natur? Tief (in den Beckenboden) atmen? Mich entspannen und innerlich spüren? Vielleicht ist es etwas ganz Bescheidenes, Stilles, Intimes, neben spektakulären Orgasmus-Gefühlen? Ohne das eine oder andere zu bewerten, einfach als offenes Spiel-Feld für vielfältige Erfahrungen, wo auch Veränderungen und Erweiterungen, je nach Alter und Lebenssituation möglich sind.
Mona Chollet schreibt, dass wir Frauen die weibliche Liebesfähigkeit behalten sollten. Und die Männer ihre Liebesfähigkeit mehr entwickeln, statt Lustbefriedigung und Druckventil. Vielleicht ist auch die Unterscheidung von Frau und Mann, weiblich und männlich nicht (mehr?) wirklich hilfreich. Vielleicht geht es eher um Selbstliebe? Ums Menschsein. Siehe dazu auch mein Literatur-Tipp unten.
Emotionale Evolution
Das ist die Richtung, in die ich gehen möchte und wo ich dich auch begleiten kann.
Ich selber schöpfe und gewinne immer ganz viel aus der emotionalen Evolution, eine kinesiologische Arbeit nach Bernhard Studer. Ganz unten findest du einen Link zu einer Zusammenfassung der emotionalen Evolution von Hansueli Windlin. Er arbeitet ebenfalls selber intensiv mit dieser «Methode» (welches Unwort...). Ich werde selber 2 Vorträge (mit praktischen Beispielen) halten im Pinakarri in Luzern, am 17. Mai und 14. Juni.
Aber auch gewaltfreie Kommunikation, Focussing, Aufstellungsarbeit und Rituale sind für mich Begleiter auf dem Weg zu Bewusstheit, Gelassenheit und Frieden.
Ja. Alles neu macht der Mai. Erneuern wir uns selber, übernehmen Verantwortung für das eigene Glück und die eigene Gefühlskompetenz.
Anita Mehr
Expertin für LeichterLebenLernen
Anita Mehr - Shalum - Expertin für LeichterLebenLernen

Mein Angebot ist für Menschen, mit körperlichen oder psychischen Beschwerden oder in Krisensituationen. Ich arbeite mit Kinesiologie, Familienstellen und schamanischer Arbeit. Ich biete Coachings & Beratung für Frauen, Männer & Paare, Impulsabende, schamanische Arbeit und Rituale an.
Mein Partner Karl Weingart und ich führen Tarot- & Tangokurse durch. www.shalum.ch
Shalum ist mein Seelenname und bedeutet: Die mit ihrer Liebe Frieden bringt.
Tango Argentino Kinesiologische Balancen Familienstellen
Empfehlungen
Zusammenfassung der emotionalen Evolution von Hansueli Windlin
Literaturtipps
Franziska Schutzbach: die Erschöpfung der Frauen, Wider die weibliche Verfügbarkeit, Drömer-Verlag
Mona Chollet: Wir müssen die Liebe neu erfinden (hab ich selber noch nicht gelesen)