Heute schon etwas Paradoxes gedacht?
Beim Familienstellen vom letzten Samstag wurde mir einmal mehr eindringlich bewusst, fast schon wie Schuppen von den Augen fallend: Das Leben ist geprägt von Paradoxien (habe die Pluralform extra nachgeschaut...)
Unverständlich: Wir sind Individuen und Ich-Menschen, streben nach Freiheit und Unabhängigkeit. Beim Familienstellen wird jedoch etwas ganz anderes sichtbar: Unsere grösste Sehnsucht scheint nicht die Unabhängigkeit zu sein, sondern die Zugehörigkeit. Die Zugehörigkeit zur eigenen Familie. Aber vielleicht bedingt es sich auf eine paradoxe Art und Weise?
Bei Familienaufstellungen wirkt das System am Anfang oft wie ein loser Haufen Menschen, mit wenig Verbindung und Gefühl füreinander, meist etwas ernst und traurig.
Wir sehnen uns danach, klein sein zu dürfen und vor allem nach vollkommen Angenommen-Sein. Wahrscheinlich können wir nur in dieser Grundgeborgenheit wachsen ?
Bedeutung von Loyalität
Das Bedürfnis nach Loyalität und Dazugehörigkeit ist elementar. Ich würde es in der Bedürfnispyramide als Grundlage sehen. Viele Menschen sind bereit zu sterben oder zumindest selbstauflösend zu leiden, um einem System loyal zu sein. Loyalität und Zugehörigkeit scheinen also wichtiger als Essen und Trinken. Man hat auch in Forschungen herausgefunden, dass sogar Babys auf eigene Bedürfnisse verzichten, wenn sie spüren, dass die Mama dadurch gefährdet ist. Instinktiv weiss es wohl, dass, wenn Mama stirbt, seine Überlebens-Chancen auch gering sind. (Buchtipp: Gessner, Thomas: Wie wir lieben und was wir alles aus Liebe tun oder vermeiden, Innenwelt Verlag)
Und notabene: Wer kennt dieses Phänomen: In einer Beziehung, zum Wohle der Familie oder um der Bedürfnisse anderer(z.B. des Chefs) Willen, sich selber fast komplett zum Verschwinden zu bringen?
Paradoxon Nr 1: Loyalität versus Individualität
Dieses archaische Bedürfnis nach Dazugehören und Das-ganze-System-zusammenhalten-Wollen scheint nun im krassen Gegensatz zur Selbstentfaltung und der Ich-Entwicklung zu stehen. Wie passt das zusammen? Oder wird eines davon total überbewertet? Z.B. übertreibe ich nun mit diesem Bedürfnis nach Zugehörigkeit? Oder ist das Bedürfnis nach Ichstärke (nicht mit Ego zu verwechseln) ein Luxusproblem?
Vertauschte Rollen
Aber einmal mehr hat sich letzten Samstag gezeigt, wie stärkend, befreiend und ermächtigend ein «Sich-Einfügen» in die systemische Ordnung ist. In einer Aufstellung von Tochter und Mutter zeigte sich, dass die Tochter die Mutter «im Griff hatte». Sie konnte sie richtiggehend jagen und hatte vollen Einfluss auf sie. Aber kraftvoll und entspannt waren beide dabei überhaupt nicht. Das macht bestenfalls einen kurzen Moment Spass, aber in solch einem Modus ist es unmöglich, in die eigene Kraft zu kommen. Man bleibt gefangen, in der Rolle von «Jagend» und «Kontrollierend». In solch einem gehetzten Zustand wird es schwierig, Freiheit und Kraft zu erfahren.
Das Verheerende ist sogar, dass die Tochter dann selber wieder in Gefahr läuft (es ist eigentlich vorprogrammiert) in eine Opferhaltung gegenüber dem eigenen Partner hineinzugeraten.
Den richtigen Platz einnehmen können
Die Er-Lösung in dieser Aufstellung geschah, indem die Mutter ihre Schuldgefühle auflösen konnte. Durch Akzeptanz der Verletzungen aus ihrer Herkunfts-Familie. Es genügte, diese nur als «Teil der Geschichte» der Tochter zu offenbaren, ohne voyeuristische Details, ohne Anschuldigungen und Analysen.
Dadurch konnte die Tochter die Würde der Mutter erkennen und annehmen. Sie konnte sich als «die Kleine» sehen, sich endlich (wie sie sich danach gesehnt hat!) bei der Mutter einkuscheln und Schutz, Geborgenheit und Nährung erfahren.
Die befreite Hinbewegung zu den Eltern und das Fliessen der Ahnenkraft ist Doping für unser Leben
Ahnenkraft annehmen, die Geschichten zurücklassen
Die Kunst, die paradoxe Kunst, in unserem Leben besteht darin, diese Kraft der Mutter, des Vaters, der Ahnen anzunehmen (indem ich mich als Kleine/r empfangend in diese Reihe einkuschle bzw einfüge) aber gleichzeitig die Verletzungen und ungelebten Gefühle nicht übernehme. Das ist paradox! Vollkommende Annahme des Lebensflusses, der Ahnenkraft, die seit Generationen durch uns hindurchfliesst und die Jüngsten dabei immer «als Kleinste» anstehen. Diese vorbehaltslose Annahme der Kraft, jedoch ohne die Geschichten und Gefühle zu übernehmen, das ist paradox. Dies gelingt auch nur, wenn die Vorher-Dagewesenen die volle Verantwortung übernehmen, auch für tabuisierte Themen, was durch Familienstellen möglich gemacht wird.
Wurzeln und Flügel - Paradoxon Nr 2
Und dabei «als Kleine/r» so wachsen und mich ausdehnen zu dürfen, dass ich «grösser» werden kann als meine Eltern und meine Ahnen, ist Paradoxon Nummer 2. Sie sogar überflügeln darf. Und interessanterweise: dies stärkt als «Gratis-Effekt» (denn darum soll es dem Kind nicht gehen) die Eltern. Wurzeln und Flügel, das Paradoxon beim Familienstellen. Verbindung und Freiheit, das Paradoxon im Leben.
Weiterführende Angebote von Shalum
Neu: Impulstag
Zusätzlich zu kinesiologischen Balancen werden kurze Sequenzen aufgestellt, z.B. Ich und das Leben, Ich und der Tod, Ich und mein Partner, Ich und mein Vater. An diesen Tagen lassen wir uns vom Muskeltest (Kinesiologie) leiten.
Samstag, 13. April, 10.00 - 17.00 Uhr
Familienstellen-Seminare 2019
Samstag, 4. Mai, 10.00 - 18.00 Uhr
Samstag, 29. Juni, 10.00 - 18.00 Uhr
Wandel im Innen
Ein Wandel im Innen geschieht auch durch Energiearbeit (Kinesiologie, Familienstellen, schamanische Arbeit). Ich kenne viele Beispiele, wo regelmässiges kinesiologisches Balancieren das Leben in leichte, glückliche und energievolle Bahnen bringt. Oder durch Familienstellen eine Beziehung erfüllt und lebendig wird. Oder ein Ritual einen Lebensübergang kraftvoll unterstützt.
Buchtipps zum Familienstellen
Ullsamer, Berthold: Ohne Wurzeln keine Flügel
Schäfer, Thomas: Was uns krank macht und was uns heilt
Hellinger, Bert: Ordnungen der Liebe
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